Ein Adventsgesicht

Am Vorabend des ersten Advent werden in unserer Kirche die Adventkränze geweiht. Wir gehen mit Mama in die Kirche und tragen unseren selbstgebundenen und geschmückten Adventkranz zur Weihe nach vorne.

Am ersten Adventsonntag ist im Gemeindesaal Adventmarkt und Mama ist so froh, dass dieser Markt von den unberechenbaren Wetterverhältnissen im Bergwinter in den warmen Gemeindesaal verlegt wurde.

Kinder musizieren und wir springen ein und aus und schauen die Sachen auf den verschiedenen Ständen an. 

Mama verzieht sich in diesen adventlich-weihnachtlichen Tagen in ihre Stube, um den Jahresrückblick zu schreiben. 

 

Niemandslandtage nennt sie die Tage zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige.

Tage, die sie früher so gehasst hat, weil sie ihr das Unwiderbringliche vor Augen hielten.

Tage des Übergangs von Nicht-mehr und Noch-nicht.

Tage zwischen hoffen und bangen.

Tage zwischen Erwartung und vollendeter Tatsachen.

Tage zwischen Angst und Erleichterung.

Tage zwischen Gehalten und Verstoßen werden.

Tage zwischen Diesseits und Jenseits.

Tage zwischen Leben und Tod.

Tage im Dunkel und die Wintersonnwende, wenn der Tag wieder zunimmt.

Mamas Seele braucht Zeit um nachzukommen in dieser hektisch getriebenen Weihnachtszeit.

Das Leben mit Kindern und Tieren, überhaupt, das Leben kennt keine Pausen.

Und doch nimmt sich meine Mama die Zeit zum Schreiben an ihrem Jahresrückblick.

Zeit um ein Jahr nochmal in dankbarer Rückschau zu durchwandern.

Zeit um anzunehmen was schön war, Zeit um Frieden zu schließen mit dem, was sie verfehlt hat, was schwer war, Zeit um Veränderung zu spüren.

Mama nimmt sich diese Zeit und wie mir scheint sogar ganz ohne schlechtem Gewissen. 

Sie sagt, diese Zeit zum Schreiben am Jahresrückblick sei ihr Weihnachtsgeschenkt an sich selbst und irgendwann wenn wir groß sind, dann würden wir verstehen.

 

Der Nikolaus bringt uns immer DVD´s und so dürfen wir Filme schauen, während Mama schreibt.

Balto, Ronja Räubertochter, Momo, die Geschichte vom Kälbchen Annabell, Tom Sawyer und Hucklelberry Finn....

Im Laufe der Jahre sammeln wir einen Schatz an allen Walt Disney Filmen an.

Dann habe ich meine kleine Hütte am Teich unten und verdrücke mich in mein Reich um Ruhe zu finden von dem Weihnachtsgedudel und dem Glitzerklimbim. In meiner Hütte brennen Kerzen und Freunde und die kleinen Geschwister besuchen mich und wir lesen die Weihnachtsgeschichte und andere adventliche Geschichten,

von armen Kindern, Tieren im Wald die ein Weihnachtsbäumchen bekommen....

Schön ist das und weihnachtlich....

 

Zwischen dem ersten und zweiten Adventsonntag ist der Krampussumzug bei uns ein Fixpunkt. 

Am Abend vor dem Nikolaustag stellen wir die Winterstiefel vor unsere Zimmertür, weil ja in der Nacht der Nikolaus kommt und uns Geschenke bringt. Joanna sagt dann einmal: "Der Nikolaus ist aber g´scheit, der hat bei uns in der Knopfstube eingekauft!" Mama schaut mich mit einem breiten Grinser an, der mir deutet ja den Mund zu halten und die kleinen in ihrem Glauben von Nikolaus uns Christkind und Osterhase zu lassen.

Mich hat es längst aus dieser Kinderwelt geworfen, aber ich helfe Mama dieses Bild für meine kleinen Geschwister so lange wie möglich am Leben zu erhalten. In meinen Stiefeln finde ich dann ja die Tom Sawyer und Hackleberry Finn Hörbücher. 

Und viele Jahre später, wo ich selbst Papa geworden bin, wünsche ich mir solche Dinge für mein Kind und Mama denkt so still bei sich, dass vieles ja doch gut war, wie sie es gemacht haben. 

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