Die Vielfalt auf dem Sturm-Archehof ist groß und wahrlich vielfältig. Es sind nicht nur die verschiedenen alten Haustierrassen die am Hof frei herum laufen dürfen und auf den Almen im Glocknergebiet ihre Sommerfreiheit genießen. Es sind auch die vielen bunten Blumen und Gräser in den Sommerwiesen, die noch Zeit bekommen zum Blühen und Aussamen, ehe sie Ende Juni das erste Mal gemäht werden.
Vielfältig sind auch die Lebensräume am Sturm-Archehof.
Vielfältig aber sind auch die Arbeiten die ich im Laufe eines Bauernjahres tun darf.
Als Biodiversitätsvermittler bin ich auf anderen Höfen unterwegs und das schöne ist, wir suchen nicht, wie es die Kontrolleure tun, nach Fehlern und Vergehen, sondern wir suchen die Vielfalt und finden sie in vielen Dingen. Wir suchen nach den vielen kleinen Dingen, auf die wir in unserer täglichen Arbeit stolz sein können und so höre ich oft:
Vielfalt ist für mich ein Geschenk der Natur.
Vielfalt ist für mich ein Zusammenleben von Mensch, Tier und Natur in gegenseitiger Achtung und Harmonie.
Oder: Vielfalt ist für mich, das Wunder der Schöpfung im Kreislauf der Jahreszeiten und ihrer vielfältigen Tätigkeiten als Teil davon miterleben du dürfen.
Vielfalt aber sind auch die vielen kleinen Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun und somit das Angesicht der Erde verändern können.
In diesen Gesprächen finden sich neben der Biodiversität die man gemeinsam findet, neben Brenneseln und Disteln, neben Holzhaufen und Schwalbennestern, neben reichen Blumenwiesen und Todholzbäumen, neben Klaubsteinmauern und Feldgehölzen, neben Auwäldern und Sumpfgebieten, Amphibiengewässern und Quellbächlein, tanzenden Libellen und kreisendem Adler, lila blühenden Orchideenwiesen mit weißem Wollgras darin, Gluckhennen mit Küken und freilaufenden Schweinen, Lämmchen...., auch so manch persönliches Gespräch.
"Ordentlich schlampert", mit diesem "Vorwurf" kam mein Schwiegervater immer zu uns auf den Hof um uns beim aufräumen zu helfen.
Die Brennesel vor dem Garten waren da ebenso ordentlich schlampert, wie die "Schanderlen" im Acker oder die Totholzhaufen im Auwald oder die Spinnweben an Haus und Stall.
Meine Kinder und ich zeigen dem Opa die vielen Raupen auf den Brenneseln und die Kinder erklären ihrem Jägeropa im Aufräumfieber, dass aus diesen Raupen einmal der kleine Fuchs wird und betonen:
"Der kleine Fuchs Opa, das ist ein Schmetterling und der braucht die Brennesel, die darfst du nicht wegmähen, sonst sind die alle tot und werden nie als Schmetterling durch die Luft fliegen!"
So von den Kindern an der Hand genommen, lässt der Opa die Brennesel stehen, lässt die Holzhaufen im Auwald liegen und schaut mit den Kindern zu wie die Spinne ihr Netz baut um ihr Fressen darin zu fangen und sie schauen zu, wie sich eine Raupe verpuppt, oder eine Libellenlarve Qualquappen frisst und unter welchem Stein die Krebse wohnen und wie ein Käfer mit dem Hinterteil Luft schnappt. Sie lauschen in die Vogelnester hinauf, wo die Schwalben Hochzeit feiern oder ihre hungrigen Kinder füttern und die Schanderlen im Acker dürfen auch stehen bleiben, weil dem Opa gezeigt wird, wieviel Bienen da ihren Nektar sammeln.
Damals war das ordentlich schlampert noch ordentlich schlampert. Viele Jahre später wurde dieses
"ordentlich schlampert" ein Slogan für die Erhaltung der Biodiversität.
Bauern, so scheint mir, die sich dem Natur und Artenschutz, der Schöpfung und der Tradition verpflichtet fühlen, um diese Werte ihren Nachkommen zu erhalten, sehen und denken weiter.
Denken nicht nur von einer Förderperiode zur Nächsten und wo man pro Hektar noch ein paar Euro´s mehr herausschinden kann.
Sie sehen, dass wir nur eine Erde haben und dass Rassen und Arten die aussterben unwiederbringlich verloren sind und die sich bemühen, auf ihrem kleinen Fleckchen Land ihren Beitrag zu leisten, in der Produktion von gesunden und ehrlichen Lebensmitteln, in Natur und Umweltschutz,
im Erhalt der Biodiversität....
Es gibt keinen Beruf, der so direkt am Herzen der Schöpfung liegt, wie der des Bauern und es ist an der Zeit, dass wir uns und unseren Produkten die wir herstellen und unseren Dienstleistungen die wir zur Verfügung stellen und unserem Land und unseren Kindern verpflichtet sind, wieder ihren Wert zu geben.
Es ist Zeit für eine gelebte Schöpfungsverantwortung.
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Rosalinde Seiwald (Samstag, 04 Juli 2020 20:25)
Liebe Angelina!
Heute habe ich wieder einmal hineingeschaut in deinen Blog und dabei entdeckt, dass ich deinen Beitrag zu NATURBEOBACHTUNGEN vom 7. Juli 1919 - also es wird schon bald ein Jahr! - noch gar nie gelesen habe. War der immer schon da? Was sind eigentlich "Schanderlen im Acker"? Den Ausdruck kenne ich bei uns im Drautal nicht! Deine Ausführungen zu NATURBEOBACHTUNGEN sind ein sehr wertvoller und wahrer Beitrag. Es wäre so wichtig, dass ihn viele lesen. Und die vielen schönen Fotos, wahrlich eine Augenweide! Danke dafür!
Ich wünsche dir weiterhin viel Kreativität und frohes Schaffen, dir und deiner Familie Gesundheit, Harmonie, Frieden, Glück und Zufriedenheit.
Ich habe einer Nachbarin, die seit 3 Jahren Witwe und seither nicht mehr mobil ist, weil nur der Mann den Führerschein hatte, von dir und dem Sturm-Archehof erzählt. Vielleicht komme ich mit ihr, wenn ich wieder einmal Winkl im Visier habe, bei dir auf einen Kurzbesuch vorbei.
Einstweilen herzliche Grüße - Rosalinde!